„Lichtung“, „Dächer“, „Blaue Stunde“, „Regentag“. Man braucht nicht viel Phantasie, um die Lichtung, die Dämmerung, die Blaue Stunde oder den Regentag zu erkennen.
Karin Hess malt solche Naturereignisse so behutsam wie schwelgerisch. Und raffiniert einfach.Denn Lichtung, Dächer, Blaue Stunde oder Regentag sind überhaupt nicht zu sehen, sondern nur pastose Farbflächen mit Punkten, Klecksen, Blitzen und Schlieren, die an vergrößerte Details von Monet oder Bonnard denken lassen.
Die Celler Künstlerin mit dem grandiosen Farbgefühl, deren „FarbReiz“ die Gedok-Galerie zeigt, baut ihre Bilder wie Baumkuchen auf – Schicht um Schicht, allerdings nicht langweilig akkurat. Ihre Spezialität sind Pastellfarben. Die stehen meist am Anfang ihrer lustvollen Malerei. Die geben die Frische. Darauf folgen Tempera oder flüssige Farben. Am Ende hat das handgeschöpfte Papier soviel Farbe aufgenommen, daß die Farbe das Papier zu tragen scheint.
Schwarz und Weiß kommen auf der Palette von Karin Hess nicht vor. Die beiden Unfarben passen nicht in die emotional aufgeladenen Farbwelt, die der 14 jährige Nachbarsjunge als geil bezeichnen würde. Der Bengel hätte Recht.
Dr. Alexandra Glanz, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 15. Mai 2001
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Tritt man erstmals in die Bildwelt der Malerin Karin Hess ein, so verfehlt der erste Eindruck nicht seine Wirkung: Klare, aus sich heraus leuchtende Farben von einer selten anzutreffenden Sättigung zieht uns an und fasziniert gleichzeitig. Das Grundanliegen der Künstlerin läßt sich mit der Devise umschreiben: Weg vom Kolorieren der Formen hin zu den ureigenen Ausdrucksmöglichkeiten von Farbe!
Eine lange, spannungsreiche Auseinandersetzung um das Erscheinungsbild von Farb- und Bildgestalt folgt. Es beginnt mit dem Setzen von Farbflecken, die sich nach und nach auf der ganzen Bildfläche integrieren. Diese Bilder bergen sensibelste Farbverläufe, aber auch die Gefahr, das Bildhafte zu verlieren. Quasi als Reaktion darauf kommt es zu rhythmisch im Bild angeordneten Zentren – oft auch in der Gegenfarbe, die den Farbeindruck auf eigenartige Weise aktivieren. Es entstehen hinreißende Pastelle, in denen die Künstlerin ihren Intentionen freien Lauf läßt – das ganze eine Art niedergeschriebene FARBLANDSCHAFTEN!
Durch und durch bedachtsam gesetzt – in einer Mischtechnik, die alle Regeln durchbricht, indem bisweilen Ölmalerei und Pastell miteinander vermischt werden – entsteht eine in allen Teilen und Schichten gekonnte Malerei. Reife Arbeiten einer bewunderswert konsequent arbeitenden Künstlerin.
Es sind nicht nur die klar gesetzten Farbmodulationen, die den Betrachter in den Bann ziehen, sondern vor allem die sich aus Assoziationen frei aufbauende BILDHAFTIGKEIT, die sich wie von selbst aus einer intuitiv richtigen Setzung von Farbflecknuancen ergibt.
Denn in der richtigen Zusammenstellung der Farben, das hatte schon Goethe klar erkannt, tritt uns die Gemütslage des Menschen, sein seelisches Empfinden vor Augen – und darauf kommt es beim Betrachten der Bilder dieser hochbegabten Farbkünstlerin an: Der Malerin in ihren durch Farbwerte ausgedrückten seelischen Intentionen zu folgen, in dem wir, die Betrachter, durch ihre klaren Farbsetzungen Stimmungen und Gefühle verschiedenster NATURERLEBNISSE erinnernd nachempfinden können.
Prof. Klaus Kowalski, Hannover
Auszug aus Einführungsrede zur Vernissage, Bad Rehburg, 03. März.2013